Geschichtliches:

[…] wohnt die Made mit dem Kinde. […] [1]

So dichtete Heinz Erhardt einst schon so vortrefflich und angesichts des passenden Reims behaupte ich mal ganz frech, er hatte dabei eine Linde im Sinn.

Kaum ein anderer Baum ist mit unserer Historie so eng verknüpft wie die Linde. In praktisch jedem Dorf befand sich eine und noch heute gibt es kraftvolle und wunderschöne Zeugen einer jahrhunderte oder gar 1000 Jahre alten Geschichte. Unter ihnen wurde getanzt und gefeiert, geheiratet und gebetet. Sie war Mittelpunkt des öffentlichen Lebens und Lieferant für wertvolle Nutzmaterialien, aber kaum ein Baum offenbart andererseits auch so sehr das Schattenprinzip wie die Linde. Sie war nicht nur Platz der Freude, sondern auch der Baum der Gerichtsbarkeit und der Exekutive, war Begleiterin von Begräbnisstätten, Hinrichtungsplätzen und mystischen, nicht immer friedvollen Orten.
Sommer und Winter, hell und dunkel, Freude und Leid, so eng vereint. Selbst im Namen spiegelt sich dies wieder, unterscheidet man doch in erster Linie zwischen Sommer- und Winterlinde.

Folgendes Gedicht von Friedrich Schnack beschreibt das sehr schön:

Unter deinem mächtigen Gestühle
Überfällt mich ahnungslose Kühle,
Strömt mich an des Sommers Atemstoß,
Und ich spüre aus der Blätter Wehen
Fremden Lebens heimliches Geschehen,
Deine Seele groß.

Wie sie sich verzweigt im Baume,
Aufwärts steigt und wirkt im Raume,
Überwindend ihren Erdengrund:
Wie sie schauert, klingt und leuchtet,
Lichtgesalbt und regenangefeuchtet,
Mit dem Himmel schloss sie ihren Bund.

Wölbig wohnen, wunderbare Haube,
Licht und Finsternis in deinem Laube,
Nacht und Tag.
Wenn die Abendsterne blinken,
Wenn die Morgensterne sinken,
Grüßt sie deines Herzens Schlag. [2]

[Anm.: Auf der verlinkten Seite gibt es noch einige andere wirklich wunderschöne Gedichte um die Linde aber auch andere Bäume]

Die Linde ist ohne Zweifel tief in unserer Kultur verwurzelt. Zahllose Berichte, archäologische Funde, Liedgut, Gedichte, Sagen aber auch Orts- und Personennamen bestätigen dies.

[Anm: Begleittafel zur „Annalinde“ bei Heilbronn. [3] ]

Selbst „Ötzi“ wußte sich schon der Linde zu bedienen, bestand doch das Innengeflecht seiner Schuhe und sein Umhang unter anderem aus Lindenbast.

[…] Den mantelartigen dichten Umhang hatte man aus Gras und Lindenbast gewirkt – Linden liefern besonders lange, zähe Bastfasern.[…] [4] und [5]

Abgesehen von ihrer Schönheit und dem geschichtlichen Background hat uns die Linde auch einiges zu bieten. Viele werden sicherlich den Lindenblütentee kennen, der traditionell bei Erkältungskrankheiten mit Fieber eingesetzt wird und den man mittlerweile in praktisch jedem Laden bekommt. Der Begriff „Linderung“ kommt schließlich nicht von ungefähr.
[Anm: Bitte hierbei unbedingt auf Qualität achten und lieber in der Apotheke oder im Reformhaus beziehen].

Die Linde hat aber noch so viel mehr in ihrem Repertoire, und ganz besonders für diejenigen, die sich an bodennahe Wildkräuter aus Angst vor dem Fuchsbandwurm oder Verunreinigungen durch z.B. Hunde noch nicht so recht heran trauen. Dieser Baum ist ein perfekter Einstieg in die wunderbare Welt der Gaben der Natur!
Sie liefert uns praktisch das komplette Jahr hindurch wertvolle Heil- und Nahrungsmittel.


Nun aber zum Steckbrief:

Familie:

Malvengewächse (Malvaceae)

Synonyme:

Dorfbaum, Gerichtslinde, Gerichtsbaum, Tanzbaum uvm.

Vorkommen:

Europa, Kaukasus bis Westsibirien. Eher in den Mittelgebirgen, weniger im Tiefland.

Standort:

Sonne, heller Halbschatten. Lockere, kalkhaltige feuchte Böden. Weniger im Wald ( wenn, dann sehr zart hier und dort in Laub- und Mischwälder), sondern eher als Solitärbäume bzw in Parkanlagen oder als Strassenbegleitgrün.

Knospen:

Oktober – März

Blätter:

April – Juni

Hauptblüte:

Juni

Früchte und Nüsschen:

Nach der Blüte bis Oktober

Vermehrung:

Samen und Ableger

Bestimmungsmerkmale (für die Sommerlinde):

Inhaltsstoffe:

Heilwirkung:

Gefahrenhinweise:

Keine


Verwendung:

Knospen, Blätter, Blüten, junge Früchte und Nüsschen

Die Knospen kann man sozusagen als „Hustenbonbons“ verwenden. Einfach einige ausgiebig zerkauen. Die so austretenden Schleimstoffe beruhigen das Kratzen im Hals und besänftigen den Hustenreiz. Man kann sie auch bestens sammeln, trocknen und sich so einen Vorrat anlegen.

Die Blätter schmecken angenehm mild, ganz leicht säuerlich und zart. Man kann sie wunderbar auch als Anfangsblattgrün für Smoothies verwenden, Salaten beigeben oder als Hülle für Wraps nutzen. Gerade auch für Kinder oft ideal.

Die Blüten dienen traditionell zur Herstellung von Heiltees oder auch Heilbädern. Hier aber unbedingt darauf achten, frisch aufgeblühte Blüten zu sammeln und diese (falls man sie bevorraten möchte) möglichst schnell zu verarbeiten. Am besten ist hier natürlich die Trocknung. Wenn sie gut durchgetrocknet sind, in Schraubgläser füllen und unbedingt dunkel und nicht zu warm aufbewaren.

Die Nüsschen kann man z.B. als Topping über einen Salat geben.


Rezepte:

Rohköstliche Linden-Wraps

Zutaten:

Zubereitung:

Die Lindenblätter ausbreiten. Gegebenenfalls säubern und sollten sie recht fest sein, mit einer Mischung aus Olivenöl, ein paar Spritzern Zitronensaft und Nama Tamari Sojasauce leicht bepinseln und etwas marinieren.

Den Blumenkohl sehr fein reiben (am besten in einer Küchenmaschine mit S-Messer, geht aber auch im Mixer oder auf der Handreibe. Er sollte halt nur sehr fein sein – so riesig sind die Lindenblätter ja nun doch wieder nicht 😉 ). Mit dem Zitronensaft, dem Mandelpüree und den gewählten Gewürzen gut vermischen, bis eine leicht klebrige Masse entsteht, die sich gut formen lässt und nicht auseinander fällt. Lieber erst mal mit etwas weniger beginnen und nach und nach weiter zufügen, bis eine Konsistenz erreicht ist, die einem zusagt. Noch mal abschmecken.

Die Sprossen und die gewählte Einlage vorbereiten und auch hier darauf achten, das es sehr fein geschnitten oder gerieben ist – es muß ja nachher in die Blätter passen.

Wildgrün und Kräuter kann man separat vorbereiten – man kann sie aber auch gut kleinschneiden und bereits mit in die Blümenkohlmasse geben.

Wer mag, kann die Zutaten noch mit Algenprodukten ergänzen. Dulseflocken eignen sich z.B. prima. Es bietet sich auch an, auf die Weise den Jodbedarf zu deckeln.

Aus den eingeweichten Cashews, Knoblauch, Zitrone und Gewürzen im Mixer eine cremige Masse erstellen. Die Gurke sehr fein würfeln und mit dem feingeschnittenen Dill unter die Creme heben. Wer die Muße aufbringt und etwas vorplant, kann auch die Grundmasse zunächst noch in ein Gefäß geben, leicht abdecken und 24 Stunden an einem zimmerwarmen Ort stehen lassen (eventuell mit einem kleinen Schluck Kanne Brottrunk impfen). Es beginnt ein Fermentationsprozeß, der nicht nur gesund ist, sondern auch überaus lecker – joghurtähnlich.

Jeweils etwas von der Blumenkohlmasse auf den Blättern verteilen, mit den gewählten Einlagen belegen, eng zusammenrollen, in die Cashewcreme dippen – und hingebungsvoll genießen.

Spaß macht das Ganze auch, wenn man die Einzelkomponenten auf den Tisch stellt und sich jeder nach eigenem Gutdünken seine Röllchen zusammenstellen kann. So wie einst bei der Fondue :). Zu dem Zwecke kann man auch durchaus mehrere Dips anbieten ( Sojasauce-Meerrettich z.B. ist auch sehr lecker, oder süß-sauer) und gerade Kinder lieben es, wenn sie sich frei bedienen dürfen.


Lindenblütenwasser

Zutaten:

Zubereitung:

Die Lindenblüten in einen Krug geben, mit einem Kochlöffel etwas andrücken. Die Zitronenscheiben zufügen, mit dem Wasser aufgiessen und über Nacht durchziehen lassen. Kühl geniessen – herrlich erfrischend! Genauso lecker schmeckt es im übrigen auch mit den Blüten der Holunderbeere.

 


Literaturverweise:

Dr. Markus Strauß: Die Wald-Apotheke. Bäume, Sträucher und Wildkräuter, die nähren und heilen. Knaur-Verlag, München 2017, ISBN 978-3-426-65804-8, S. 15 ff.

Rudi Beiser: Unsere essbaren Wildpflanzen. Bestimmen, sammeln und zubereiten. Kosmos Verlag, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-440-13605-8, S. 136.

Steffen Guido Fleischhauer, Jürgen Guthmann, Roland Spiegelberger: Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau 2013. 3.Auflage 2016. ISBN 978-3-03800-752-4, S. 147.

Weblinks:

[1] https://www.deutschelyrik.de/index.php/die-made-1878.html

[2] https://www.baumpruefung.de/dies-und-das/baumgedichte/die-linde

[3] http://baumwesen.npage.de/die-annalinde/annalinde.html

[4] http://www.museum-albersdorf.de/bast/oetzischuhe.htm 

[5] https://www.spektrum.de/magazin/neue-befunde-die-herkunft-von-oetzi/829918