Geschichtliches:

Die Brennnessel – wohl jeder hat mit ihr auf die eine oder andere Weise bereits einmal Bekanntschaft geschlossen, vor allem natürlich mit ihren zahlreichen Brennhaaren. Sei es als Kind beim Streifen durch Feld und Flur oder beim Unkrautjäten im eigenen Garten.
Es lohnt sich jedoch, sich der wehrhaften Pflanze noch einmal neu zu nähern, ist sie doch mitnichten ein kratzbürstiges Gewächs, welches es zu bekämpfen gilt, sondern eines der besten „Superfoods“, die uns in unseren Breitengeraden zur Verfügung stehen.
Ihr Gehalt an Mineralstoffen und Vitaminen übersteigt den unserer gezüchteten Blattgemüse um Längen:

Brennnessel (pro 100 g):
Kalium: 410 mg
Phosphor: 105 mg
Magnesium: 71 mg
Calcium: 630 mg
Eisen: 7,8 mg
Vitamin C: 333 mg
Provitamin A: 740 mcg
Reineiweiß: 5,9 g

Im Vergleich dazu Kopfsalat (pro 100 g):
Kalium: 224 mg
Phosphor: 33 mg
Magnesium: 11 mg
Calcium: 37 mg
Eisen: 1,1 mg
Vitamin C: 13 mg
Provitamin A: 130 mcg
Reineiweiß: 0,6 g

Die Brennnessel ist eine so unglaublich vielfältige Pflanze. Unter anderem diente sie nicht nur als Nahrungsmittel, sondern fand auch in der Textilherstellung ihren Platz. Manch einer mag sich vielleicht noch an den Begriff „Nesseltuch“ erinnern.

Skandinavische Archäologen haben in einem dänischen Hügelgrab die Überreste eines Mannes gefunden, der dort vor 2800 Jahren bestattet wurde. Aktuelle Studien belegen, das der Körper in ein Tuch gewickelt war, welches aus dem heutigen Österreich stammte und aus Brennnesselfasern hergestellt wurde.
[…]Es handelte sich um ein Gewebe aus Brennnessel-Fasern, ergaben die Untersuchungen. Aber die Pflanzen waren nicht etwa auf dänischem Boden gewachsen, sondern im heutigen Kärnten oder der Steiermark, wie Strontium-Analysen zeigten.[…] [1]

Das Centre for Nutrition and Dietetics am University of Wales Institute, Cardiff  hat zwei Monate damit zugebracht, historische Aufzeichnung im Rahmen der frühesten Rezepte zu durchsuchen und kam zu einem erstaunlichen Ergebnis.

[…]Top of the pot came nettle pudding, which was traced back 8,000 years.
Stinging nettles, which remain in plentiful supply today, are still used in puddings, soup, tea, porridge and beer.[…] [2]
[Anm.: Ganz oben kam Brennnesselpudding, der 8000 Jahre zurückverfolgt wurde. Brennnesseln, die heute noch reichlich vorhanden sind, werden immer noch in Pudding, Suppe, Tee, Brei und Bier verwendet]

Gleich an erster Stelle ist bei Hieronymus Bock in seinem Kreutterbuch von 1539  die Brennnessel zu finden. Wen wundert es angesichts der Tatsache, dass sie Bestandteil seines Wappens ist.
So heißt es denn im Vorwort:

[…]Es ist zwar menniglich wol bewusst, das Brennend Nesseln under alle Gewächsen die zarteste, reineste Kreutter sein, dann sie lassen sich nicht zu allerhand unraht, wie andere Kreutter, gebrauchen, seind vor dem gemeinen Hauffen, wann sie ihr Notturfft wollen aussrichten, ganz und gar versichert und ob schon solche brennende Nesseln etwann, von den Hunden und andern unvernünftigem Vihe verunreinigt, und hinder den Zäunen, da ihr liebste Wohnung ist, befleckt und besudelt werden, aber bald werden sie vom Regen oder Himmel Taw heraber, gewaschen und gesäubert, darumb sie dann billich für die reinste und sauberste Kreutter, so den Menschen fürkommen, gehalten werden.[…] [3]

Die Brennnessel taucht in so unglaublich vielen Schriften auf, dass man sich vermutlich ein halbes Botanikerleben ausschließlich ihr widmen könnte. Keine Angst, das tun wir hier nicht :).
Unten in den Literaturverweisen findet ihr aber noch ein paar weblinks, die sich definitiv lohnen, gelesen zu werden 🙂

Habt ihr euch eigentlich schon einmal gefragt, wie diese Brennhaare denn so aussehen? Einst in der Botanik-Vorlesung hatten wir das zweifelhafte Vergnügen, ein solches Haar einmal zu mikroskopieren und abzuzeichnen…. das Ergebnis sparen wir euch auch 😉

  

 

So schaut das aus – der Vergleich mit einer Spritze oder Kanüle ist also durchaus berechtigt. Wenn wir uns „nesseln“, bricht ganz oben das kleine Köpfchen ab und der gefürchtete Inhalt entleert sich in unsere Hautschichten, um dort die entsprechenden Reaktionen auszulösen.
Das sollte uns aber nicht davon abhalten, uns diesem wunderbaren Geschenk der Natur zu öffnen.
Es gibt genügend Möglichkeiten, die Brennhaare für uns „unschädlich“ zu machen. Sehr effektiv ist die Variante, mit einem Nudelholz einige Male über die Blätter zu rollen. Marinieren in Salatsauce geht auch, und spätestens der Mixer oder Entsafter sorgt für höchsten Trinkgenuß.
Nicht nur das Kraut, auch die Samen sind wahre Powerpakete an Nährstoffen. Aktuell ( Mitte Juli) erscheinen sie in Hülle und Fülle und beginnen auszureifen. Jeder, aber vor allem Sportler, können von der geballten Kraft von Eiweiß und Mineralien profitieren.

 

   


Nun aber zum Steckbrief:

Familie:

Brennnesselgewächse (Urticaceae)

Synonyme:

Donnernessel, Hanfnessel, Saunessel, Scharfnessel

Vorkommen:

Weite Verbreitung in Mitteleuropa, aber auch Asien, Nordamerika und Nordeuropa

Standort:

Nährstoffreiche, vor allem stickstoffreiche Böden, auf Äckern, an Waldrändern, Gärten, Wiesen, auf Lichtungen. Aber auch an Flüssen und in Feuchtgebieten, Parkanlagen.
Gute Zeigerpflanze für Stickstoff.

Hauptblüte:

Juni bis Oktober

Vermehrung:

Wurzelstock

Bestimmungsmerkmale:

Inhaltsstoffe:

Heilwirkung:

Gefahrenhinweise:

Verwechslungsmöglichkeit mit der Taubnessel, die aber ihrerseits sehr gesund ist und unbedenklich genossen werden kann. Sie verfügt aber nicht über Brennhaare, daran kann man es leicht erkennen.


Verwendung:

Kraut, Wurzel, Samen

Das Kraut kann man getrocknet als Heiltee für Durchspülungskuren und Aufgüsse verwenden. Frisch ist die Brennnessel vor allem als Salatbeigabe geeigenet, als Zugabe in Smoothies, Säften, Pestos und Suppen. Die Blätter lassen sich auch wie Spinat zubereiten, obwohl eine rohe Verwendeung zu bevorzugen wäre. Lecker ist auch die Herstellung von Gemüsechips oder Verwendung als grünes Gewürz in Bratlingen oder Saucen und Dips

Die Samen schmecken leicht nussig und lassen sich entweder frisch verwerten, aber auch hervorragend sammeln und trocknen zur Winterbevorratung. Sie dienen vor allem der Vitalisierung und Stärkung des gesamten Organismus und des Immunsystems. In einem Smoothie verarbeitet helfen sie optimal gegen Müdigkeit.

Die Wurzel wirkt vor allem entzündungshemmend und krampflösend. Als Tinktur oder Tee findet sie Verwendung bei z.B. Prostata- oder Menstruationsbeschwerden, aber auch für Kompressen oder für die Haarpflege.


Rezepte:

Pesto aus Brennnesselsamen

Zutaten:

Zubereitung:

Die Samen über Nacht in wenig Wasser mit einem Spritzer Apfelessig einweichen. (Pinienkerne gegebenenfalls ebenfalls einweichen und aktivieren).
Am nächsten Morgen den Knoblauch mit den Brennnesselblättern und etwas Öl pürieren. In diese Masse dann die Samen, die Pinienkerne und die Gewürze hinzugeben und noch einmal kurz aufmixen. Eventuell noch etwas Öl hinzufügen bis zur gewünschten Konsistenz, aber beachten, dass die Masse nicht zu homogen wird bzw zu warm.
Noch einmal abschmecken und genießen. Schmeckt fantastisch zu Zucchini- oder Kohlrabinudeln, oder einfach als Beigabe zu Salat oder Kartoffeln.


Brennnessel-Süppchen

Zutaten:

Zubereitung:

Die Zwiebel und die Knoblauchzehe fein würfeln und in etwas Kokosöl andünsten. Mit der Brühe aufgiessen und die geschälten und gewürfelten Kartoffeln hinzugeben. Etwa 15 Minuten sanft köcheln lassen.
Die Brennnesseln verlesen, eventuell harte Stielanteile entfernen und grob hacken. Ebenfalls zufügen und noch weitere 5 Minuten ziehen lassen. Mit dem Pürierstab schaumig aufmixen, dabei die Pflanzensahne einfließen lassen. Mit den Gewürzen abschmecken und wer mag mit einem Schlückchen Weißwein verfeinern.
Die Samen als Topping obendrüber geben. Guten Appetit!

 


Literaturverweise:

Wildgemüse (Nr. 1182), herausgegeben von aid–Infodienst, Bonn, 1982.

Dr. Markus Strauß: Die Wald-Apotheke. Bäume, Sträucher und Wildkräuter, die nähren und heilen. Knaur-Verlag, München 2017, ISBN 978-3-426-65804-8, S. 39 ff.

Steffen Guido Fleischhauer, Jürgen Guthmann, Roland Spiegelberger: Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau 2013. 3.Auflage 2016. ISBN 978-3-03800-752-4, S. 249f.

Landlust: Naturrezepte. Frühling und Sommer 2018. LV Publikumsmedien GmbH & Co.KG, S. 23 ff.

Weblinks:

[1] https://www.wissenschaft.de/geschichte-archaeologie/edle-knochen-in-brennnessel/

[2] https://www.telegraph.co.uk/news/uknews/1563093/Britains-prehistoric-recipes-uncovered.html

[3] https://play.google.com/books/reader?id=8V5fAAAAcAAJ&printsec=frontcover&output=reader&hl=de&pg=GBS.PP1

https://books.google.de/books?id=LxF_DAAAQBAJ&pg=PT173&lpg=PT173&dq=brennessel+hieronymus+bock&source=bl&ots=cZVigxfQ5X&sig=sNQdGbCyAqnuUhpFk4jYYYH3oJE&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiam5SB_LrcAhWLyIUKHffYCrIQ6AEIXDAN#v=onepage&q=brennessel%20hieronymus%20bock&f=false

http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb11069345.html

https://books.google.de/books?id=jgdfAAAAcAAJ&printsec=frontcover&dq=hieronymus+bock&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwj_y8zG_brcAhUnQZoKHaBZACAQ6AEIPTAD#v=onepage&q=hieronymus%20bock&f=false